Ein Blumenstrauß an Möglichkeiten – welcher Glaube darf’s denn sein?
Vom Zwang zur Möglichkeit
Die Variabilität des christlichen Glaubens zeigt sich in seinen mannigfaltigen Ausblühungen, in seinem bunten Blumenstrauß voller Möglichkeiten und Angeboten in der Gegenwart. Niemand ist heute mehr gezwungen, oder dazu berufen Christ zu sein und den christlichen Glauben gemäß einer einheitlichen Norm, einem einheitlichen Glaubensbekenntnis zu verinnerlichen und ebenso dann auch auszuleben. Es lebe die Vielfalt! In Amerika nennen sie es: „Der Jahrmarkt der Religionen.“
Die Herausforderung, allein durch Attraktivität zu bestehen und anzukommen
Die Frage die sich dieser Artikel also annähert: Was kennzeichnet die Kraft und die Bedeutungshoheit des Christentums für insbesondere ein jugendliches Bevölkerungsspektrum in Deutschland? Erstmals ist es möglich geworden, zu glauben wem oder was man will. Es herrscht völlig freie Auswahl an spirituellen Angeboten jeglicher Couleur und das mit oder ohne einen Gott. Das Christentum und „DAS“ gibt es nicht schlechthin, ist zu einem freiwilligen, höchst individualisierten Angebot geworden, das sich nach Kundenwunsch zu profilieren hat und maßgeschneidert wird. Das „Einkaufserlebnis“ – der „Proof of Emotion“ wird mehr und mehr zum entscheidenden Attribut seiner Gefälligkeit und Akzeptanz beim „Kunden“. So ist jedenfalls meine Wahrnehmung, wenn ich mir die Glaubenslandschaft in Deutschland so betrachte und dies auch life mit jungen Menschen erlebe, die vorgeben christlich zu sein. Dieses Angebot des Christentums muss sich messen lassen an den Bedürfnissen, an Vor- und Ein-stellungen, Gehirnknospen und spirituellen Vorlieben des Individuums uns seiner höchst individuell ausgeprägte Sonderform des Denkens und seines Verlangens, und ergo seines Vermögens diese zu stillen. Es entsteht insofern ein buntes und munteres Wechselspiel aus unzähligen religiösen Angeboten und dem interessiert Suchenden der nach dem passenden Anbieter seines Glaubenslebens sucht, du nun denn auch vermehrt in form elektronischer Medien offeriert werden.
Vom Tonangeber zur Nebenfigur
Wie konnte es soweit kommen? Die Hybris der großen christlichen Kirchen liegt darin, dass sie aufgefordert ist Antworten zu finden auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen. Sie ist gezwungen, irgendwie mitzuspielen in diesem gesellschaftlichen Spiel. Die Kirche ist ein Teil der Gesellschaft. Die Gesellschaft entwickelt sich immer weiter. Allerdings sind im wilden Ritt der Zeit die Kirchen längst weit entfernt davon, ein treibender, bestimmender Player von Zukunftsgestaltung oder Trendsetzung zu sein. Das war sie aber noch vor einem zurückliegenden Menschenalter, sagen wir vor 80 oder 90 Jahren. Sie ist eher zu einer kläglichen Randnotiz, die kaum wahrgenommen wird, degradiert und nichts deutet darauf hin, dass sie dort so schnell wieder herauskommen wird. Stattdessen redet alle Welt über den Islam.
Wohin schauen alle Menschen? Es sind eher so Schlagworte wie Medien, Internet, Technologiekonzerne und Marken, garniert mit etwas Politik, die unser tägliches Denken und Leben bestimmen. Und wo das Denken und die Aufmerksamkeit ist, da ist auch das Bewusstsein der Gesellschaft und des Individuums. Christus ist für den modernen Mitteleuropäer nahezu bedeutungslos geworden. Er findet nicht mehr statt. Und der Kirche bleibt nichts anderes übrig, als eine von ganz ganz vielen Markt-Teilnehmern, mitzumachen in diesem riesigen, fast schon unüberschaubaren Angebot der Möglichkeiten und Angebote, will sie nicht vollends an Bedeutung verlieren. Die geistige Vormachtstellung in den Köpfen der Menschen hat sie lange verloren. Sie ist gerade für einen Großteil der jungen Menschen unbedeutend geworden, das muss man ganz klar sagen. Sie kann versuchen irgendwo mit aufzuspringen, auf einen bereits fahrenden Zug. Aber auch da ist es ihr nur vergönnt ein Randthema zu spielen.
- Themenbereiche wie Klimaschutz.
- Themenbereiche wie Toleranz und Vielfalt
- Themenbereiche wie Rassismus und Einwanderung
- Themenbereiche wie politische Positionierung und Extreme
- Themenbereiche wie Lebensplanung und Orientierung, Werte, Familie und Partnerschaft
Christlicher Glaube als Wellnessangebot?
In diesem Konglomerat an Möglichkeiten und Angebotsspektren gibt es verschiedene Wege den Kunden zu erreichen. So kann es denn sein, dass sich ein Informationsvideo der Pfingstgemeinde Leipzig wie ein Werbeangebot eines Wellness-Familienhotels anfühlt, und mit genau diesen Attributen auch beworben wird, und sicherlich hier und da auch einige bereitwillige Abnehmer finden wird. Unterschiede sind in ihrer Gefühlsebene die schließlich beim Gehirn ankommen schier nur noch marginal vorhanden. Die christliche Kernbotschaft, was auch sie immer ausgelegt sein mag rückt dabei in den Hintergrund. Es spielt weiche harmonische Musik, es gibt Angebote für Familien. Weiches und belebendes Grün überall, und stimmungsvolle, schmeichelnde Dekoration und vor allem ein friedliches begegnendes und äußerlich liebevolles Miteinander. Oha! Ich treffe auf andere Menschen.
Vergeblicher Versuch der Rückentwicklung mit alten Methoden die kaum noch „ziehen“
Diese Entwicklung des bunten Blumenstraußes den Angebots- statt Vorschriftscharakters gefällt nicht jedem, doch Versuche von fundamentalistischen Predigern die Paste die nun einmal „out of the tube“ ist wieder hineinzubekommen, indem freiheitliche, liberale christliche Strömungen verdammt werden, muss kläglich scheitern. So gesehen bei einem mir wohlgemeint zugesandten Video eines Pfarrers …. Er schwadronierte in bester ZJ(Zeugen-Jehovas) Manier über die Verführungen Satans und die Abweichungen der Pfingst- und charismatischen Gemeinde. Allen erstens wurde Pop- und Rockmusik pauschal abgekanzelt und in das reich Satans verwiesen. Heilig sollen wir sein. Tja was ist heilig? Ein großes Wort. Die Lebensweise der Entsagung, der Selbstaufopferung und Abgeschiedenheit, gar Selbstkasteiung ist im Deutschland des 21. Jhd. Mit 10 Mbit Internet in jedem Haushalt und einer Smarthphoneabdeckung von nahezu 100%, einer Hoch-zeit der Musikfestivals, YouTube, Instagram und „Bettys BeautyPalace“ inkl. Hotpants, Extensions und …. schier unpraktikabel und unvorstellbar geworden. Vielleicht sollten sie sich ja mit einigen Feministen zusammentun die eine neue Keuschheit (aber nur für die Männer) einfordern. Doch auch das passt nicht so recht zusammen. Die Frau feiert ihre eigene sexuelle Befreiung und philosophiert über ihre „Yoni-Yoga“ und „Camel-Toe“ während der Mann dank Mee-too und Gilette-Werbung ein neues Keuschheits-Ideal aufgebrummt bekommt.
Orientierungsprobleme der Kirchen in einem volatilen, hochindividualisierten, allein auf dem Kundenwunsch zugeschnittenen, „Over-deliver“-bestimmten Markt, der von Rating und Marktmacht bestimmt ist
Der christliche Glaube wird es in Zukunft nicht leicht haben in Deutschland, er kann nur weiter erblühen und das haben findige Kirchenpolitik-Experten herausgefunden in dem sie sich weiter spezialisiert und Angebote macht, sich dem Markt öffnet. Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, gilt mehr und mehr auch das Konzept das vielleicht noch viele unbewusst noch unzugegeben in der Angebotsgestaltung ihres seelischen Wohltuns gestalterisch einbringen und dem „Kunden“ nahebringen können. Gegenüber dem Mainstream gleicht er eher und mehr und mehr einer Special-Interest Gruppierung, die um die Gunst des jungen Kunden buhlen darf.
Was sind dabei die kennzeichnenden Entwicklungen? Die Jugend wandert mehr und mehr vom Realen ins Internet ab. Dort kann sie mit nur einem Klick aus verschiedenen Angeboten wählen und vergleichen, Gegenargumente austauschen und sich unterhalten und berieseln lassen. Eine „frohe“ Botschaft misst sich in ihrem Erfolgscharakter nach Anzahl der Views, Bewertungsrating und der prozentualen Anzeigedauer. Gelingt es nicht zu fesseln, wird gnadenlos zum nächsten Angebot weitergehoppt. Dabei strahlt gelegentlich der erhobene Zeigefinger der Moral, ob er verallgegenwärtigten Gutseinsbewegung auch eine gewisse Anziehungskraft aus, allein das praktische Ausleben erfordert mehr als nur ein Klick und Sekunden des Schauens. Angesichts der Freizügigkeit der Möglichkeiten seiner Lebensplanung und -führung, unendlicher Partnerauswahl und sofortiger Verfügbarkeit von Genüssen jeglicher Art, instant, immer weniger Bereitschaft auf Verzicht und Belohnungsaufschub (warum auch?) und dafür der Verlockung etwas verpassen zu können – , auch in sexueller Hinsicht, werden es fundamentale, genussfeindliche, selbstverneinende und asketische Angebote schwer haben und stellen vielmehr nur eine hochspezialisierte Richtung innerhalb des Blumenstraußes, des marktes der spirituellen Angebote dar. Überzeugende Argumente des Christentums im gesamtdeutschen Mainstream bleiben eher blass und gehen unter im Gesamtangebot der Medienvielfalt und Interessenslagen, können wenig überzeugend-attraktives bieten. Weder für den Mann noch die die Frau, die eher zu Yoga, Meditation und Ökobewusstsein greift, garniert mit etwas gesellschaftlichem Engagement gegen rechts und für mehr Vielfalt.
Faktoren in Form von echten Menschen, die aus dem Süden kommen und etwas mitbringen – gekommen um zu bleiben
Die „südländischen“ Neuankömmlinge und Ethnien, die tatsächlich durch Geburten und Kindereichtum mehr und mehr die biologischen Ureinwohner ersetzen und verdrängen bietet der Christus hierfort auch eher eine vergleichsweise geringere Anziehungskraft, entweder man bleibt beim heimisch-traditionellen mitgebrachten Islam der gerade für den Mann Macht und Stärke demonstriert oder passt sich dem eher gottlos-volatilen und prinzipienentleerten materialistischen Mainstream der westlichen Konsumkultur an.
Wo geht der Weg hin?
Was zeigt die religiöse Vielfalt samt ihrer individualistischen Rezeption und Interpretation für das Individuum an über das Wesen des Christentums?
Der christliche Glaube darf auch aus der umgekehrten Sicht betrachtet und analysiert werden. Also nicht aus der Sicht auf dem Gott nach oben und wer nun der richtige ist, sondern rückwärts aus der Sicht in die Gehirne der Menschen und ihrer veranlagten Neigungen und Fähigkeiten. Ohne Gehirn kein Gott, kein Jachwe, kein Jehova und kein Allah. Der christliche Blumenstrauß ist nur eine Antwort aus vielen Möglichkeiten, und zeigt die Wandelbarkeit und unendliche Phantasie des menschlichen Geistes. Vergeblich sucht es in Zeiten von weitreichender, nie gekannter individueller Vernetzung von menschlichen Ideen und Gehirnen nach dem Allgültigen und Letztgültigen, nach der alleinigen, einzigen und exklusiven Wahrheit. Und doch gibt es nicht wenige, die felsenfest behaupten, genau diese zu besitzen. Das ist in den Predigten von christlichen Glaubenslehren nicht anders, als bei vorgetragen Meinungen über Verschwörungstheorien über die Weltgemeinschaft und gleicht wie ein Ei dem anderen.
Es bleibt eine banale Erkenntnis, die schon Hegel auf den Punkt brachte:
Die Welt ist Geist.
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